Die Zuckerfrage
- Greta Galus
- 30. Okt. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Was unser Umgang mit dem Klimawandel mit Philosophie zu tun hat.

Als John Perry am 16. Januar 1943 in Lincoln, Nebraska geboren wurde, dachte er wohl nicht, dass seine Theorie irgendwann einmal mit den heutigen Klimaveränderungen in Verbindung gebracht werden würde.
Wie stehen wir selbst zu den Fragen, die uns eine sich verändernde Welt stellt?
Wo sehe ich mich selbst in diesem Kontext? Wo sehe ich andere?
Wer hat eigentlich Schuld und lohnt es, vor dem Hintergrund einer rasch sterbenden Erde, noch über die Schuldfrage, die klar durch den IPCC beantwortet wurde, zu diskutieren.
Aber zurück zu Perry, dessen Zuckerfrage sich gut mit dem Denken der heutigen Welt vergleichen lässt:
Eines Tages, sah John Perry eine dünne, weiße Zuckerspur vor ihm auf dem Boden eines Supermarkts.
Er stellte seinen mit Einkäufen gefüllten Wagen auf der einen Seite eines hohen Regals ab, neigte den Kopf und schaute die Spur nachdenklich an. Er seufzte: "Irgendjemand der anderen Kunden verliert hier eine große Menge Zucker!"
Er schaute sich zu beiden Seiten um, blickte den den Gang hinunter und fing an mit seinem Wagen langsam um das hohe Regal herumzulaufen, um zu schauen, ob jemand dahinter stünde. "Er würde demjenigen schon noch sagen, dass er hier eine ziemliche Sauerei anrichte, wenn er so weitermachte.", dachte er sich laut.
Perry setzte sich erneut in Bewegung und als er einmal rund herum im Kreis gefahren war, stellte er fest, dass die Spur dicker geworden war. So drehte er Runde um Runde, aber schien nicht in der Lage zu sein, aufzuholen.
Schließlich dämmerte es ihm. Er war der Käufer, den er doch gerade noch zu fangen versuchte. Er schaute in den Wagen, sah das kaputte Zuckerpäckchen und stellte es wieder so hin, dass kein weiterer Zucker mehr auslaufen konnte.
Conclusion: Perry erkannte, dass er selbst das Chaos im Supermarkt verursacht hatte, was ihn letztendlich dazu veranlasste, sein Verhalten zu ändern, den Schaden zu begrenzen. John Perry's "wesentliche Indexicals" geben also hier den Anstoß zum Handeln.
Die Unmittelbarkeit Perry's eigener Person ist direkt mit seinem Handeln und der Erkenntnis verbunden, dass er Perry ist.
Gäbe es diesen zusätzlichen Schritt nicht, gäbe es für Perry keinen Grund, seine Handlung zu ändern.
Der einzige wesentliche Index in dieser Situation ist “Ich”.
Während Perry sich seiner Selbst am Ende bewusst war, wäre es der von Yuval Noah Harrari so gründlich beschriebene "Affe am Fluss" wohl nicht.
Unsere Vorfahren lebten, ohne, dass sie wirklich wussten, dass sie lebten.
Sie wären wohl im Supermarkt einfach zur Zuckerspur gelaufen, hätten sie so lange vom Boden geleckt, bis der Zucker nach etlichen Runden dann aufgebraucht war. Oder es wäre ein Löwe zur elektrischen Schiebetür herein spaziert und hätte den Affen gefressen.
Was wir in der aktuellen Gesellschaft leider feststellen müssen, ist ein Mittelalter-ähnliches Phänomen. Da wir seit ca. 1970 wissen, dass ein auf Konsum und Wachstum ausgelegtes System nicht mehr lange funktionieren, nicht mehr halten wird, lecken wir doch so lange noch den Zucker vom Boden auf, bis er am Ende aufgebraucht ist, oder wir vom Löwen gefressen werden. Natürlich hypothetisch, oder nein, eigentlich auch praktisch.
Und warum tun wir das? Weil wir nicht bereit sind, uns, jeder im Einzelnen, mit unserem "Ich", unserer Rolle in dem Konstrukt einer sich schnell entwickelnden Gesellschaft und einer schneller sterbenden Welt bewusst zu werden.
Menschheit heißt ja nicht ich. Gesellschaft heißt ja nicht wir. Stadt fügt sich ja nicht allein aus uns. Der Markt besteht allein. Die unsichtbare Hand wird nicht geführt. Unternehmen produzieren nicht für viele und Einer ist noch lange nicht Alle.
Aber am Ende machen es doch alle aus und das ist keine Frage der Definition, sondern eine Frage des Bewusstseins in den Köpfen aller.



Kommentare